…“die unter Beschuss stehende Tierunterkunft “Poratunok Twaryn” in Charkiv befindet sich in dramatischer Lage, die Tiere müssen dringend evakuiert werden“…

Mit diesem Hilfeaufruf in der Mailbox einer Münchner Tierschützerin (Natalia) begann die Reise von 10 Hunden und 10 Katzen via Bayern ins TH Starnberg.

Besagte Tierschützerin griff zum Hörer, wählte TH Starnberg und fragte: „Könnt ihr helfen“? Bevor ein “Nein” hätte fallen können, war ein einstimmiges, herzliches “JA” schon raus!

Eigentlich war es vermessen, im Tierheim Starnberg anzurufen, aber in der Not griffen wir nach jedem Strohhalm. Das TH Starnberg ist ein kleines Tierheim, welches weder über große finanzielle Ressourcen verfügt, noch viel Platz bieten kann. Und doch sind es die Starnberger, die uns eine Zusage für mehrere Tiere erteilen.

Ganz so einfach war es natürlich nicht – doch bevor die Geschichte der 2335 km langen Reise losgeht, eine kurze Vorstellung des Tierheims “Poratunok Twaryn” der Stadt Charkiv in der Ostukraine:

Das Tierheim “Poratunok Twaryn” in Charkiv betreut etwa 600 Hunde und Katzen. Die Tierunterkunft mit einem außergewöhnlich engagiertem Team und vielen freiwilligen Helfern entwickelte sich in über 10 Jahren zu einem kreativ geführtem Tierheim. D.h. anstelle von Einzelhaltung in engen Betonzwingern, bevorzugt Gruppenhaltung in kiesgestützten Auslaufzwinger samt Holzterassen zum Liegen, privaten Pflegestellenplätzen für alte, kranke u. behinderte Tiere uvm.

Seit 2015 setzte sich die Idee: „Erste Hilfe für Tiere“ in Form von mobilen Einsätzen durch und wurde 2016 offiziell unter der Zusatzbezeichnung „Animal rescue Charkiv“ umgesetzt und bei der Stadtverwaltung registriert. Es wurden Kontakte mit Kollegen in Europa geknüpft. Das Tierheim profitierte von diesem Austausch und so vieles war in Planung! Doch alles wurde jäh beendet durch den Krieg…

Seit Kriegsbeginn im Februar 2022 kümmern sich die in der Stadt verbliebenen Mitarbeiter und Freiwillige um die Tiere im Tierheim der Stadt Charkiv.

Sowohl bei der Versorgung im Tierheim, bei Einsätzen zur Bergung, als auch Evakuierung von Tieren aus Charkiv begeben sie sich fast täglich in Lebensgefahr.

Sie sammeln Hunde von den Straßen von Charkivs ein, deren Besitzer aus der Stadt geflohen sind, holen Tiere aus verlassenen Wohnungen, zerbombten Wohnhäusern, verschütteten Kellern. Sie werden gerufen, wenn ein Tier hilflos umherirrt oder verletzt am Straßenrand liegt, nehmen Tiere auf, deren Halter als Soldaten dienen, verstorben oder einfach nicht mehr nach Hause zurückgekommen sind.

Als eine Rakete in das Tierheim einschlug, wurde eines der Gebäude des Tierheims vollständig zerstört. Sieben Hunde starben unter den Trümmern, andere waren verletzt und mussten intensiv medizinisch behandelt werden. Einige der Tiere entkamen in Panik durch den von der Explosion beschädigten Zaun.

Die wenigen Mitarbeiter sind dennoch vor Ort geblieben, reparieren die Schäden und versuchen mit allen Mitteln ihren Schützlingen Futter und Schutz zu bieten. Die Stadt wird jeden Tag bombardiert. Es gibt keinen Strom, kein Gas, limitiertes Benzin, keine Medikamente für Tiere und Menschen, kaum Geld um etwas zu kaufen, die Lebensmittel sind knapp. Es ist eine unvorstellbare Tragödie, die sich dort abspielt.

Im Video: Bestandsaufnahme frühmorgens nach dem Raketenangriff:

Erfahrungsbericht von Natalia v. Schlippe